Alternativer Nobelpreis für Percy Schmeiser

Louise und Percy Schmeiser, Farmer in Kanada, betrieben  seit Jahrzehnten eine eigene Rapszucht. Eines Tages forderte der multinationale Chemie- und Saatgutkonzern Monsanto sie auf, eine „Techniknutzungsgebühr“ zu zahlen, weil einzelne Pflanzen auf ihrem Acker gentechnisch manipulierte Gene enthielten, welche dieser Konzern patentiert hatte. Die Bauern wussten nicht, wie diese Gene auf  ihren Acker gelangt waren. Die genetische Verunreinigung ihrer eigenen Rapssorten brachte für sie keinerlei Nutzen - im Gegenteil, sie stellte einen erheblichen Schaden dar. Also lehnte das Ehepaar es ab, die geforderten Lizenzgebühren zu bezahlen. Nun wurde Percy Schmeiser von Monsanto wegen Patentrechtsverletzung verklagt - und verlor den Prozess in erster und zweiter Instanz mit der Begründung, dass er „wusste oder hätte wissen müssen“, dass seine Rapsernte mit patentierten Genen kontaminiert gewesen sei und dass er dennoch Saat aus dieser Ernte wiederausgesät habe.

Im Mai 2004 fällte das Oberste Gericht von Kanada sein endgültiges Urteil im Fall Monsanto gegen Percy Schmeiser. Demnach verletzte Schmeiser das Patentgesetz, doch das Oberste Gericht entschied weiter, dass Schmeiser nur die eigenen Gerichtskosten tragen muss. Von den anderen Zahlungen wurde abgesehen, weil die Richter befanden, dass Schmeiser keinerlei Vorteil aus der Anwesenheit der Gene auf seinen Feldern gezogen habe. Allerdings beliefen sich auch seine eigenen Kosten mittlerweile auf über 400.000 Can$.
Schmeiser hat inzwischen sämtlichen Rapsanbau beendet und seine Farm auf Weizen, Erbsen, Hafer und andere Feldfrüchte umgestellt.

Percy Schmeisers Fall steht nicht allein. Nach einem Bericht des Centre for Food Safety (CFS), Washington, hat Monsanto 2005 allein 147 Bauern wegen Patentverletzungen verklagt, viele davon aufgrund von Auskreuzungen von patentierten Genabschnitten. Diese Zahl dürfte nur die Spitze des Eisbergs sein, denn nur wenige Bauern verweigern die geforderten Zahlungen und lassen es auf einen langwierigen Prozess ankommen. Seit bald zehn Jahren steckt das Ehepaar Schmeiser einen Großteil seiner Kraft in die Auseinandersetzung mit dem Gentechnikkonzern. Percy Schmeiser ist zu einer Ikone der weltweiten Bewegung für eine gentechnikfreie Nahrungsproduktion geworden und hat mittlerweile über 150 Länder bereist, um den Menschen seine Geschichte zu erzählen. Im Jahr 2002 war er schon einmal zu Gast bei einer Initiative gegen Gentechnik auf einem Hof in der Nordheide. Er sagte damals, er wolle niemanden missionieren, letztendlich müsse jedes Land und jede Bevölkerung selbst entscheiden, ob sie gentechnisch veränderte Organismen haben wollen oder nicht. Doch sollten alle wissen, welche Probleme sie sich damit ins Haus holten. „Wenn die Biotechnikunternehmen diesen Prozess gewinnen, erlangen sie die Kontrolle über die Nahrungspflanzen der Welt. Die Bauern können nicht länger das Saatgut aus ihrer Ernte nehmen, sie werden zu Leibeigenen auf dem eigenen Land.“ Percy Schmeiser reist in alle Kontinente, um über die fatalen Folgen der Abhängigkeit von der Gentechnikindustrie und der Patentierung von Pflanzen und Tieren zu warnen. In Indien wurde ihm für sein Engagement bereits im Jahr 2000 der „Mahatma Ghandi Preis für eine gewaltfreie, bessere Welt“ verliehen.

Im Dezember 2007 wurde das Ehepaar Schmeiser von der internationalen Jury des „Right Livelihood Award“ im Reichstag zu Stockholm mit dem renommierten Alternativen Nobelpreis ausgezeichnet. Mit der Preisvergabe ehrt die Jury die Schmeisers "für ihren Mut bei der Verteidigung der Artenvielfalt und der Rechte der Bauern und dafür, dass sie die derzeitige ökologisch und moralisch perverse Auslegung des Patentrechts in Frage stellen." Sie würdigt mit dieser weltweit wohl bedeutendsten Auszeichnung für Mut und Zivilcourage das beispielhafte Engagement der beiden, die sich wie David im Kampf gegen Goliath nicht einschüchtern lassen durch die zunehmende Marktdominanz von Firmen, die durch Patentierung die Kontrolle über das Saatgut der Erde gewinnen wollen.

Die gentechnikfreie Landwirtschaft ist auch in Deutschland und Europa gefährdet. Von den Berichten aus Kanada ausgehend werden wir bei unserer Veranstaltung am 12. 1. 2008 in Soltau die Brücken nach Deutschland schlagen und den hiesigen Kampf um das Saatgut – vom Acker bis zum Teller, darstellen. In Deutschland gibt es inzwischen einige Betriebe, die gentechnisch veränderten Mais anbauen – auf derzeit verschwindend geringer Fläche. Immer wieder passiert es, dass gentechnisch verunreinigtes Saatgut in den Handel und teilweise – wenn nicht vorher z.B. bei staatlichen Kontrollen aufgeflogen – auch auf die Äcker gelangt. Im Jahr 2001 mussten erstmalig drei brandenburgische Betriebe Rapsbestände von über 100 Hektar vernichten, weil sie unwissentlich gentechnisch verändertes (gv) Saatgut ausgebracht hatten. Im Jahr 2005 enthielt ein Viertel des nach Frankreich importierten und routinemäßig getesteten Maissaatgutes Spuren von gentechnisch veränderten Organismen (GVO). Bei Routineuntersuchungen wurden im Jahr 2005 in Hessen in Maissaatgut der Firma Pioneer GVO-Anteile nachgewiesen. Schließlich zeigt auch der Reis-Skandal in 2006 eindringlich, welch weitreichende Konsequenzen gentechnische Verunreinigungen haben und dass die verursachenden Konzerne keinerlei Verantwortung für ihre Produkte übernehmen.: Über Felder in den USA gelangte die nicht zugelassene Gentechnik-Reissorte LL601 auch in europäische Supermärkte. Als Ursache der Verunreinigung wird angenommen, dass konventionelles Basissaatgut des Reiszuchtinstituts LSU Ag Center durch Freisetzungsversuche mit dem gv Reis kontaminiert war. Der verantwortliche Konzern Bayer Crop Science wehrt sich bislang gegen jegliche Haftungsansprüche der betroffenen Reisbauern. Viele Bäuerinnen und Bauern in Deutschland wollen Kontaminationen ihrer Ernten verhindern und setzen deshalb auf die Gründung von Gentechnikfreien Regionen.

Säen und Ernten, von der Ernte etwas aufbewahren, um es im nächsten Jahr wieder auszusäen, das ist ein uraltes Grundprinzip der Landwirtschaft. Jahrhunderte lang haben Bäuerinnen und Bauern züchterisch gearbeitet und Saatgut weiterentwickelt – durch den eigenen, gezielten Nachbau. So sind Sorten an die individuellen hofspezifischen Ansprüche aber auch an die regionalen Gegebenheiten angepasst worden. Dieses so genannte „Landwirteprivileg“ soll in Deutschland nicht mehr uneingeschränkt möglich sein. Die Pflanzenzüchter verlangen nicht mehr nur einmalige Lizenzgebühren, wenn sie neues Saatgut an die Bauern verkaufen, sondern wollen nun auch in jedem weiteren Jahr Geld, wenn der Bauer einen Teil seiner Ernte wieder als Saatgut einsetzt – so genannten Nachbau betreibt. Gegen diese seit Ende der 90er Jahre erhobenen Nachbaugebühren und vor allem auch die Mittel und Wege, die die Pflanzenzüchter benutzen, um sie einzutreiben, wehrt sich die Interessengemeinschaft gegen die Nachbaugesetze und Nachbaugebühren, IGN. Sie ist eine Solidargemeinschaft aus konventionell und biologisch wirtschaftenden Bäuerinnen und Bauern. Die IGN hat sich das Ziel gesetzt, die Ausforschung durch die Gebühreneinzugsorganisation der Pflanzenzüchter zu beenden und das Recht auf "freien Nachbau" wieder uneingeschränkt herzustellen. Gleichzeitig unterstützt die IGN Initiativen von Berufskollegen, die aktiv für das Recht auf eine gentechnikfreie Erzeugung eintreten.

 

„Vom Acker bis zum Teller – Der Kampf um das Saatgut“

Soltau, 12.01.2007 um 19:30 Uhr in der Alten Reithalle, Winsener Straße 34g 


Bei der Veranstaltung in Soltau wird Percy Schmeiser, unser Ehrengast, in einem Vortrag aus seinen Erfahrungen berichten.
Matthias Miersch, Rechtsanwalt aus Hannover wird In der anschließenden Podiumsdiskussion seine Erfahrungen aus juristischer Sicht beitragen. Er vertritt seit 1999 die Bauern der IGN in ihrem Recht auf Saatgutnachbau, gegen Ausforschung und gegen Nachbaugebühren.
Klaus Buschmeier, (Bauer, Saatgutvermehrer und Getreideaufbereiter aus Hameln) wird als einer der Sprecher der IGN deren Anliegen erläutern. 
Annemarie Volling, eine der Sprecherinnen des „Bündnis für gentechnikfreie Landwirtschaft Niedersachsen, Bremen, Hamburg“ wird über die Gentechnikanbau-Situation und die Bewegung für eine gentechnikfreie Landwirtschaft in Deutschland berichten. 

 


Der Text dieses Hintergrundpapiers ist überwiegend entnommen aus der Broschüre „David gegen Goliath – Kein Patent auf Leben“, die anlässlich der Preisverleihung an Louise und Percy Schmeiser im Dezember 2007 von Sambucus e.V. in Kooperation mit dem Bündnis für gentechnikfreie Landwirtschaft Niedersachsen, Bremen, Hamburg, der IGN und der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) herausgegeben wurde.

Foto Jürgen Binder: Louise und Percy Schmeiser nehmen den Alternativen Nobelpreis entgegen

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V.i.S.d.P.: Angela von Beesten, www.sambucus.org