Den Schatz bewahren

"Sagt nicht schon wieder, Ihr hättet es nicht gewusst..."
Gefahren der Agro-Gentechnik in einem neuen Buch umfassend dargestellt.

Mit der gleichen menschenverachtenden und geschäftemachenden Unverfrorenheit, mit der uns vor 30-40 Jahren der Atomstrom als die neue, saubere und umweltschonende Energie angeboten wurde, ist heute die Saatgutindustrie dabei uns zu täuschen und zu verführen. Damals wurde statt "Atom-spaltung", was richtig ist, aber gefährlich klingt "Kern-kraft" gesagt. Heute spricht man statt von "molekulargenetischer Manipulation", wie es heißen müsste, lieber von "Grüner Gentechnik", das klingt so grün und gesund. Damals, bei der Atomdiskussion polarisierte sich das Feld allerdings sofort in Freund (die kritischen Gegner) und Feind (die Befürworter). Diesmal, beim Gen-Geschäft, hat man besser vorgearbeitet. Zunächst verbreitete man die Botschaft, die Welt würde satt und viele Krankheiten verschwänden, wenn wir erst die Arbeit am Genom beginnen könnten. Und so haben wir vielleicht doch noch zu lange gezögert mit einem Protest. Zwar sagen 70-80 % aller Verbraucher, sie wollen kein genetisch verändertes Essen, doch die Agro-Multis stört das nicht. Sie marschieren weiter.

Jetzt ist es höchste Zeit aufzuwachen, zu erkennen, daß die Versprechungen sich nicht erfüllen und Argumente zu sammeln gegen die geschickten Werbeaussagen. Und gleichzeitig müssen wir wahrnehmen, welche Gefahr uns ins Haus steht, wenn an allem was lebendig ist im Erbgut manipuliert wird, artübergreifend von Mensch zu Tier, zu Pflanze, in allen denkbaren Richtungen. Und wir müssen erkennen, daß nicht so verantwortungsvoll und gezielt geforscht wird, wie wir es uns wünschen. Und daß diese Eingriffe an unseren Lebensmitteln geschehen, an unseren Mittel zum Leben. Zum Beispiel am Getreide, an unserem Saatgut, dem Schatz in dem der Schlüssel zu unserer Ernährung liegt. Und damit der Schlüssel zu unserer Gesundheit.

Seit Jahren hat sich die niedersächsische Ärztin Angela von Beesten, Ehefrau eines Bio-Landwirts und Naturheilkundlerin intensiv mit dem Thema der Genmanipulation in der Landwirtschaft beschäftigt. In der Nähe ihres Hofes hat sie schon vor Jahren einen Gen-Mais - Freisetzungsversuch verhindern können. Sie hat am "Diskurs Grüne Gentechnik" der Bundesregierung teilgenommen und mutig mitdiskutiert. Unzählige Vorträge, Demonstrationen und Selbsthilfegruppen hat sie besucht. Ärzte und Landwirte hat sie an einen Tisch geholt und ein "Bündnis für Gentechnikfreie Landwirtschaft Niedersachsen/ Bremen/ Hamburg" mitgegründet. Nun können wir alle vom reichen Schatz des Erfahrenen und Erlernten profitieren, - ihr "Gen-Buch" ist da:

Es ist ein sehr informatives Buch, aus tiefer Verantwortung heraus verfasst. Es ist für Laien geschrieben und den Fachleuten wegen des umfassenden Berichts aus sorgevollem, ärztlichen Blickwinkel empfohlen. Zusätzliche Stellungnahmen von ausgewiesenen Experten beschreiben auch Randfragen des Problems. Zum Beispiel das Technisch-Naturwissenschaftliche der Gentechnik, die Terminator -Technik, das Problem der Imkerei, das Geschäft mit den Nahrungsergänzungsmitteln, die Gesetzeslage. Alles wird verständlich dargestellt. Und langsam merkt der Leser "bis zu welchem Grade die so genannte Natur dereinst nicht mehr sich selbst und uns allen gehören wird, sondern denen, die sich schamlos Patente auf dasjenige erteilen lassen, was sie dieser Natur an Missgeburten und Kunsterzeugnissen abgenötigt haben" (S. 56).


Trotz des ernsten Inhalts und der schwierigen, wenig Hoffnung weckenden Thematik ist es kein negatives Buch. Es ist voller guter Vorschläge, wie jeder mit den aufgezeigten Problemen umgehen kann, wie er aktiv werden kann, wenn er sein eigenes Unbehagen wahrgenommen hat. Es ist ein mutiges, gut lesbares Buch, liebevoll bebildert und editiert. Es liefert Argumente zur Diskussion über Risiken und Grenzen, über Wünschbarkeit und Verantwortbarkeit dieser erst 10 Jahre alten, und doch so tief eingreifenden Technik. Es ist ohne billige Polemik geschrieben, aber es fordert doch zu einem mutigen Aufschrei heraus, gerade zum jetzigen Zeitpunkt, an dem noch ein Protest lohnenswert und dringend nötig ist .

Ab sofort darf keiner mehr sagen, er habe nicht gewusst, was sich an technischen "Missgeburten" auf seinen Teller drängt. Es sei denn, er habe das Buch von Angela von Beesten nicht gelesen.

Dr. med. Joachim Hensel,
Umwelt-Medizin-Gesellschaft 3/2005